Nach jahrelangen Einsätzen in Wüsten, Bergen und Trockengebieten beginnt für die NATO Special Forces ein neues Kapitel, in dem sich der Fokus immer mehr zu nasskalten, komplexen Umgebungen in ganz Europa verschiebt. Da die veränderte Sicherheitslage neue Herausforderungen mit sich bringt und mehr Standardisierung erfordert, passen Special Forces Ausbildung, Taktik und Ausrüstung zunehmend an Einsätze entlang der NATO-Ostflanke und darüber hinaus an. Die Einsatzanforderungen ändern sich – und mit ihnen auch die Lösungen.
In this blog post:
- Die neuen Einsatzherausforderungen für westliche SOF
- Radikale Änderung und neuer geografischer Fokus
- Europäische Special Forces: die Rolle der SOF in einem neuen Konfliktzeitalter
- Die Suwałki-Lücke und die Sorgen der NATO
- Standardisierung von Ausrüstung und Taktik innerhalb der NATO Special Forces
- Versorgung isolierter SOF in einer A2/AD-Zone
- Neue Special-Forces-Gliederung
- Fazit
Sören Sünkler, Chefredakteur von K-ISOM und Veteran, der SOF-Einsätze in komplexesten Umgebungen absolviert hat, analysiert die Situation. Dank seiner jahrzehntelangen Erfahrung in Frontgebieten und seinen weitreichenden SOF-Kontakten verfügt er über detaillierte und informierte Einblicke in die Vorbereitung der NATO Special Forces für die Zukunft.
Autor: Soeren Suenkler
Die neuen Einsatzherausforderungen für westliche SOF
Westliche Special Operations Forces (SOF) sahen sich ab dem Jahr 2001 mit dem Problem konfrontiert, dass sie relativ unvorbereitet in ein Szenario zur Terrorismusbekämpfung nach Afghanistan „stolperten“, für das sie weder richtig vorbereitet noch ausgerüstet waren.
Spezialeinsätze in über 5.000–6.000 m Höhe in schwierigstem Gelände sowie Hitzewellen von über 45 Grad Celsius stellten alle SOF vor größere Herausforderungen. Weder die Standardausrüstung und das Training noch die Operators waren an das herausfordernde Klima angepasst. Diese Anpassung erfolgte erst über eine lange Einsatzperiode und war nie richtig abgeschlossen.
Darüber hinaus wurden westliche Special Forces am Hindukusch zum Teil völlig artfremd eingesetzt. Maritime US Navy SEALs operierten in sehr schwierigen Gebirgsketten oder weiten Wüsten. Im Dezember 2001 stürmten westliche Special Forces die Bergfestung Tora Bora. Diese waren eigentlich für Anti-Terror Operationen ausgebildet worden und nicht für den Gebirgskampf in dieser speziellen Form. Im März 2003 sicherten polnische Special Forces von GROM den irakischen Hafen von Umm Qasr. Wer sprach schon Arabisch? Ebenso verlegte man deutsche Kampfschwimmer des Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM) erst nach Afghanistan, dann nach Mali/Tschad in Afrika. Wo war das Meer?
Diese Ad-hoc-Spezialeinsätze zur Terrorismusbekämpfung kennzeichneten zwei Jahrzehnte Gebirgs- und Wüsteneinsätze ohne ausreichend Vorbereitungszeit, Szenario-Training oder Beschaffung von zielgerichteter Ausrüstung. Dies erfolgte immer nur anlassbezogen und konnte nie in langen Phasen ordentlich geplant werden. Letztendlich sind alle Beschaffungsmaßnahmen dieser Zeit für den heutigen Stand verantwortlich. Trotz aller taktischen Erfolge der westlichen SOF konnte das Hauptziel nie erreicht werden. Dieses wurde auch nie realistisch durch die Politik formuliert.
Auch die nicht einheitliche Führung war ein massives Problem. Teilweise operierten westliche SOF unter unterschiedlicher Führung mit unterschiedlichen Mandaten. So trennte man viele Jahre in Afghanistan zwischen der US-geführten Combined Joint Special Operations Task Force-Afghanistan (CJSOTF-A) bei Operation „Enduring Freedom“ (OEF), die aus mindestens sechs Nationen bestand, und weiteren westlichen SOF, die unter dem Mandat von ISAF oder sogar unter nationalen Vorbehalten standen. Gleichzeitig startete ab dem Jahr 2003 die Combined Joint Special Operations Task Force-Iraq mit ihren Spezialeinsätzen im Irak unter Operation „Iraqi Freedom“ (OIF). Das Chaos mit zu langen Stehzeiten im Einsatzraum, Personalproblemen und Strukturschwächen sowie Rotationskonflikten war damit vorprogrammiert und gelebte Realität.
Die Entkoppelung vom eigentlichen Primärauftrag bei vielen westlichen SOF führte sogar dazu, dass die klassische Gliederung der Einsatzzüge in gewisse Verbringungsarten und Klimazonen auf Basis des SAS-Vorbildes de facto aufgelöst wurde. So verfügt das deutsche Kommando Spezialkräfte (KSK) in einer Kommandokompanie zum Beispiel nicht mehr standardmäßig über einen Gebirgs- und Arktiszug, einen amphibischen Zug, einen HALO-/HAHO-Zug und einen Land/Wüste-Zug sowie einen Scharfschützenzug. Heute werden alle Kräfte in nur noch zwei Angriffszüge und einen Scharfschützenzug pro Kompanie zusammengefasst. Dabei sind alle Operators nun HALO-/HAHO-qualifiziert. Die klimatischen Spezialisierungen befinden sich nur noch in den Trupps wieder und sind auf die Kompanie verstreut. Die verstärkte Qualifizierung von HALO-/HAHO-Operators war durch die straffe Rationalisierung der Fallschirmsprungausbildung möglich.
Radikale Änderung und neuer geografischer Fokus
Die Eskalation des Konflikts in Osteuropa im Jahr 2022, kombiniert mit dem Abschluss von Spezialeinsätzen in Afghanistan, im Irak und in Afrika, hat die westlichen Spezialeinsatzkräfte in eine völlig neue Operationsumgebung versetzt. Der Hindukusch mit extremen heißen Temperaturen und Höhen bis über 7.000 m war gestern. Doktrin, Ausbildung und Ausrüstung müssen komplett neu konfiguriert werden, um aktuellen und künftigen Herausforderungen zu entsprechen.
Der Vorteil ist jedoch nun, dass die zukünftigen Einsatzregionen geografisch klar definiert werden können. Wie schon im Kalten Krieg (1947–1989) zieht sich die Kontaktlinie in einer Achse von Norden durch Osteuropa nach Süden. Die NATO teilt diese Regionen in drei Zonen auf. Skandinavien und die baltischen Länder gehören zur Nordostflanke. Polen (früher Deutschland) nimmt eine zentrale Stellung ein. Die Südflanke besteht aus Ländern des Balkans und des Mittelmeerraums. Italien, Ungarn und Rumänien sind hier Key Player. Die klimatischen und geografischen Gegenseiten sind bekannt und berechenbar. Daraus können Ausbildung, Beschaffung und Einsatzdoktrin heute klar abgeleitet werden.
Darüber hinaus hat die NATO auch langfristige regionale Verantwortlichkeiten festgelegt. Westliche Special Forces wissen also schon heute, wo ihre zukünftigen Einsatzregionen liegen. Das vereinfacht Ausbildung, Beschaffung und die Zuweisung von Verantwortlichkeiten.
Die Bundesrepublik Deutschland engagiert sich zum Beispiel in Litauen und Rumänien. Die USA in Polen und Rumänien. Großbritannien in Polen und Estland (Operation „Cabrit“). Kanada in Lettland (Operation „Reassurance“). Diese Bindungen sind langfristig angelegt und beinhalten Partnerschaften sowie feste Stationierungen. Dazu zählt auch der Einsatz von Special Forces, die sich nun in einem kontinentalen Klima (kalt und nass) zurechtfinden müssen. Die Wüstenausrüstung ist nun obsolet. Heute sind Helm- und Gesichtstarnung wieder in Mode, auch für Special Forces.
Die alten internationalen temporären SOF-Einsatzstrukturen aus Afghanistan, Irak und Afrika sind aufgelöst worden. Der dominierende Faktor ist heute das Allied Special Operations Command der NATO in Belgien. Dies ging aus dem NATO Special Operations Headquarters (NSHQ) hervor. Gegründet wurde die Organisation auf dem Riga-Gipfel als NATO SOF Coordination Centre (NSCC). Im Jahr 2009 stimmte der Nordatlantikrat zu, die Organisation ab 1. März 2010 in das NSHQ zu transferieren. Daraus entstand nun das neue Allied Special Operations Command, das nicht nur für Doktrin, Ausbildung und Vereinheitlichung zuständig ist. Vielmehr ist es der dominierende Rahmen für alle europäischen und westlichen NATO SOF, die immer mehr unter der NATO konsolidiert werden (siehe SHAPE – Supreme Headquarters Allied Powers Europe).
Für den tatsächlichen Einsatz, insbesondere US-amerikanischer Special Forces der Green Berets, aber auch anderer SOF der USA, firmiert das US Special Operations Command Europe (US SOCEUR) mit Sitz in Deutschland, dass in Osteuropa und im Baltikum bereits sehr aktiv ist und bereits eine „Stolperdraht-“ und Frühwarnsystemfunktion übernimmt, ohne hier konkret ins Detail zu gehen.
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Europäische Special Forces: die Rolle der SOF in einem neuen Konfliktzeitalter
Der Krieg in der Ukraine zeigt das volle Spektrum des „Krieges des armen Mannes“ im 21. Jahrhundert. Drohnenangriffe, Grabenkampf, Stoßtrupps, Handstreiche, Hinterhalte, Nahkampf und Angriffe in Menschenwellen sind an der Tagesordnung. Teure und hochwertige Panzer werden zu einzelnen Sturmgeschützen degradiert. Kampf um jeden einzelnen Bunker ist gelebte Realität. Endlose Artilleriegefechte und Counter Battery Feuerüberfälle mit riesigem Munitionsverbrauch (80.000 Schuss Artilleriemunition pro Tag auf russischer Seite und bis zu 15.000 Schuss Artilleriemunition auf ukrainischer Seite) sind normal. SOF im Einsatz hinter den feindlichen Linien, überall verbrannte Erde und über 1.000 Ausfälle pro Tag sind ein reales Bild. Darüber schwebt eine beidseitige Anti-Access Area Denial Strategy (A2/AD), die den Einsatz der Luftwaffe auf beiden Seiten fast unmöglich macht.
Für die im Kampfeinsatz stehenden ukrainischen SOF besteht der kraftraubende Alltag aus Handstreichen, Hinterhalten, Drohnenangriffen, Stoßtrupps und der Abwehr von feindlichen Einbrüchen. Die eigenen Verluste sind hoch. Die Verluste der Angreifer um das Dreifache höher.
Für westliche SOF bedeutet dieser neue Umstand bereits jetzt eine neue Ausrichtung auf die neuen Gegebenheiten. Man kann den Einsatz nun planen und geografisch voraussehen. Die Suwalki-Lücke ist bekannt. Die Ostsee ist ebenfalls ein bekannter Faktor. Der Donbass und das Asowsche Meer sind bereits Schlachtfeld.
Allerdings bleibt kaum eine Bewegung in dieser Region unentdeckt. In diesem Highly Non-Permissive Environment und unter der A2/AD-Glocke wimmelt es nur vor visueller und elektronischer Aufklärung (SIGINT, ELINT, HUMINT, COMINT usw.) mit modernsten Mitteln aller Art. Gegen- und Störmaßnahmen sowie Electronic Warfare (EW) runden den Wahnsinn ab.
Westliche Special Forces können in diesem Umfeld kaum oder wenig agieren, ohne sofort aufgeklärt zu werden. Ihre aktuelle Mission beschränkt sich auf zwei der drei Hauptaufgabenfelder, die durch die NATO definiert wurden:
- Special Reconnaissance (SR)
- Military Assistance (MA)
Die Durchführung von direkten Kampfoperationen (Direct Action) kann zu diesem Zeitpunkt weder bestätigt noch verneint werden. Die Politik verhält sich extrem zurückhaltend. Allerdings operieren die westlichen SOF jetzt endlich in ihrer eigentlichen und ursprünglich Rolle als Enabler und Speerspitze. Dabei dienen sie als Vorbereiter für größere NATO-Verbände, als Enabler für große konventionelle Operationen und vor allem als „Stolperdraht“. Westliche SOF sollen der NATO im Bündnisfall nach §5 die dringend benötigte Zeit erkaufen, um eine Mobilmachung und Verschiebung der westlichen Kräfte zur Kontaktlinie im Osten zu ermöglichen.
Diese „Stolperdraht“-Taktik wird jetzt schon umgesetzt. Westliche SOF trainieren und bilden andere Partnerländer in Osteuropa aus. Dabei knüpfen sie Verbindungen und Partnerschaften mit örtlichen Special Forces und Homeguards. Ebenso werden Netzwerke gebildet, die zukünftig als Grundlage für eine Partisanenbewegung genommen werden können. Ein koordinierender Faktor ist dabei das US Special Operations Command Europe (SOCEUR) mit seinen neuen Doktrinen und Guidelines für den Spezialeinsatz an der Kontaktlinie sowie am vom Feind besetzten eigenen NATO-Gebiet (siehe Special Operations Exercise „Trojan Footprint“). Als Ideengrundlage dienen dazu die westliche verdeckte Unterstützung der baltischen „Waldbrüder“ in den 1950er Jahren und das „Jedburgh“-Konzept des alliierten US OSS (Office of Strategic Services) und UK SOE ( Special Operations Executive) im Zweiten Weltkrieg. Die allgemeine Lage ist nämlich nicht neu, sie zeichnet sich nur 80 Jahre später ab.
Die Anpassung an die sich entwickelnden Herausforderungen erfordert die Weiterentwicklung von Ausbildungsmethoden und -strategien, wie im Blog über die Zukunft der Ausbildung von Spezialeinsatzkräften dargelegt.
Die Suwałki-Lücke und die Sorgen der NATO
Große Kopfschmerzen bereitet der NATO die berüchtigte Suwałki-Lücke. Die Suwałki-Lücke bezeichnet in der Terminologie der NATO das dünnbesiedelte Gebiet um die Grenze zwischen Litauen und Polen, das eine Engstelle der Landverbindung zwischen den baltischen Staaten und den übrigen NATO-Partnern darstellt. Zugleich ist dort das Territorium der russischen Exklave Kaliningrad (EW- und A2/AD-Schwerpunkt) am wenigsten weit von Belarus entfernt. Benannt ist es nach der polnischen Stadt Suwałki und stellt die NATO vor Probleme. Eine Studie bezeichnete das Gebiet als das labilste der NATO und schätzte, die NATO würde im Fall eines russischen Angriffs nur 36 bis 60 Stunden lang den Nachschub über den Korridor sicherstellen können, bis die baltischen Hauptstädte besetzt und das Baltikum isoliert seien. Im März 2023 wurde berichtet, dass Polen seine Grenzanlagen an der Suwałki-Lücke mit Panzersperren sichert.
Demnach muss man mit der hohen Wahrscheinlichkeit rechnen, dass das Baltikum unter gewissen Umständen im Falle eines Konfliktes vom Rest der NATO abgeschnitten werden könnte. Vor Ort agierende westliche SOF müssten dann zusammen mit dem örtlichen Widerstand in den Untergrund gehen und von dort den Kampf gegen die Besatzungstruppen aufnehmen. Ebenso würde sich ein Stay-Behind-Netzwerk entfalten. Dies wäre auch im nasskalten baltischen Winter unter zum Teil skandinavischen Bedingungen möglich. Soweit die Theorie.
Eine der bereits laufenden Vorbereitungen auf ein solches Szenario ist das Schaffen von Behelfslandebahnen auf geraden und gut befestigten Verkehrsstraßen, um dort Kampfflugzeuge starten und landen zu lassen. So trainierte die US Air Force bei „Saber Strike“ 2018 mit A-10 „Thunderbolts“ II Erdkampfflugzeugen in Estland mit „US Air Force Special Tactics“-Personal von AFSOC am Boden das Starten und Landen auf zivilen Straßen. Dies war auch eine Technik, die in Deutschland bis 1989 genutzt wurde (Autobahnen wie z. B. Teile der A1 oder A29, insgesamt 24 Notlandebahnen).
Standardisierung von Ausrüstung und Taktik innerhalb der NATO Special Forces
Eine der wesentlichen Konsequenzen aus dem Einsatz in Afghanistan war das umstrittene Ende des deutschen HK G36 in 5,56 mm x 45 im Rahmen des Bewaffnungskonzepts der Bundeswehr. Dies betraf auch die deutschen SOF. Die sonst hervorragende Waffe war damals noch im Kontext der Wehrpflicht und zum Einsparen von Zeit sowie Ressourcen für die Bundeswehr beschafft worden und bedeutete den Wechsel von 7,62 mm x 51 (HK G3) zu einem neuen NATO-Kaliber. Die sehr gut konzeptionierte Waffe sollte wehrpflichtigen Rekrutinnen und Rekruten bei halbierter Ausbildungszeit eine sehr viel höhere Trefferwahrscheinlichkeit garantieren. Zusätzlich durfte die Waffe nur wenig wiegen und sollte noch viel weniger kosten. Diese Faktoren hat das HK G36 einwandfrei und ohne Probleme ab 1997 in Serie geleistet. Nun wird das HK416 als G95 ebenfalls in 5,56 mm x 45 diese Waffe in der Bundeswehr querschnittlich sowie auch bei den deutschen SOF ablösen.
Da das HK416 als neuer NATO-Standard angesehen werden kann (u. a. Deutschland, Norwegen, Frankreich, Spanien SOF, Luxemburg, USA SOF und weitere NATO SOF), findet hier nun eine Vereinheitlichung statt, die sich auf die Waffe selbst, Ausbildung, Ersatzteile, Bedienung und Versorgung sowie ein einheitliches Konzept positiv auswirkt. Gefragt sind nicht mehr viele Einzellösungen für viele kleine nationale Anforderungen und Probleme, sondern eine querschnittliche Gesamtlösung im Sinne einer NATO-weiten Einheitlichkeit bei konventionellen Truppen sowie auch bei Special Forces. Das HK416 ist in seinen vielen Varianten nicht nur für heiße und trockene Klimazonen ausgelegt, sondern meistert auch Over-the-beach-Anforderungen (z. B. Baltische Küste) und nasskalte, strenge Winter in Osteuropa.
Neben einer Vereinheitlichung von Waffen haben sich viele europäische Luftlande- und SOF-Einheiten zur Beschaffung einer gemeinsamen SOV- und Airborne-Fahrzeugflotte entschlossen. Niederländische, österreichische, deutsche, Schweizer und polnische SOF setzen z. B. auf sehr ähnliche Special Operations Vehicles. Darüber hinaus beschaffen Deutschland und die Niederlande zusammen über 3.000 „Caracal“-Luftlandefahrzeuge. Ein gemeinsamer Standard in dem Fahrzeugflottenmanagement innerhalb der NATO vereinfacht Beschaffung, Ausbildung, Wartung, Einsatz und Versorgung. (Anmerkung: Österreich und die Schweiz sind keine NATO-Mitglieder.)
Diese neue Philosophie betrifft auch das Bekleidungssystem. Der Fokus liegt verstärkt auf funktionalen, einsatzspezifischen Lösungen, die speziell auf die verschiedenen NATO-Klimazonen zugeschnitten sind – von nasskalten Regionen im Norden bis hin zu gemäßigten und mediterranen Temperaturen. Bis auf wenige Ausnahmen haben sich Multicam-Variationen durchgesetzt, doch einzelne Länder arbeiten ihre Ansätze noch weiter aus. Deutsche Spezialkräfte stechen mit dem neu eingeführten Multitarn (Fünf-Farben-Tarndruck „Flecktarn“ mit MultiCam-Farben) heraus und gehen nach viel Forschung einen neuen Weg.
Versorgung isolierter SOF in einer A2/AD-Zone
Die neue Situation an der Ostflanke impliziert zwangsläufig, dass in einem zukünftigen Konflikt eigene Truppenteile oder Teileinheiten eingeschlossen und nicht direkt erreichbar sind. Vermutlich werden diese im Einflussbereich einer gegnerischen A2/AD-Glocke sein. Somit sind diese für reguläre Versorgungsflüge nicht oder kaum erreichbar. Umfangreiche Hubschraubereinsätze wie damals in Afghanistan werden kaum oder nicht möglich sein. Die westliche Allianz kann nur in Räumen operieren, in denen zumindest eine temporäre Luftüberlegenheit hergestellt ist.
Demnach muss man sich Gedanken machen, wie abgeschnittene Truppenteile, Stay Behind-Organisationen, durch NATO-SOF-geführte Partisanenverbände, Untergrund- und Widerstandorganisationen und auf sich gestellte Homeguard-Verbände versorgt werden.
Dies geschieht mit Drohnen und Gleitern. Die US Air Force hat dazu bereits teilweise das Gleitsystem „Grasshopper“ von DZYNE eingeführt. Dieser Low-Cost-Gleiter ist ein GPS-gesteuerter lautloser Cargo-Gleiter für hochriskante Versorgungsmissionen von AFSOC (US Air Force Special Operations Command) und kann ca. 220 kg Material sicher in eine „heiße Zone“ transportieren. Der „Grasshopper“ kann von einer C-17 oder einer C-130 von der Rampe aus eingesetzt werden. Das Gleitsystem erreicht eine eigene Geschwindigkeit von ca. 175 km/h und verfügt über eine minimale Signatur. Die Eindringtiefe beträgt laut Hersteller „dutzende Meilen“. Das Steuerungssystem ist abgesichert, sodass der Gleiter auch ohne GPS-Signal sein Ziel sicher erreicht. Gelandet wird mit einem eingebauten Bremsfallschirm.
Zusätzlich werden „Silent Arrow“ GD-2000 Cargo Glider für das US SOCOM beschafft, um hauptsächlich Green Berets im Einsatz zu versorgen, wo Hubschrauber und C-130-Transportflugzeuge weder landen noch Paletten abwerfen können (das übliche A2/AD-Problem). Der GD-2000 kann innerhalb eines 100-m-Radius exakt landen. Die Reichweite wird mit über 60 km angegeben. Die maximale Nutzlast soll ca. 740 kg betragen.
Cargo-Drohnen und -Gleiter sind in ihrer Signatur so reduziert, dass sie im Luftraum kaum auffallen und somit eine gewisse Eindringgarantie haben. Sollte jedoch ein Versorgungsflug verloren gehen, wäre dies kein allzu großes Problem, und er könnte schnell ersetzt werden. In Massen eingesetzt und gut koordiniert, könnten Drohnen und Gleiter die Versorgung sogar für einige Wochen sicherstellen, bis eine sichere Luft- und Landverbindung zu den abgeschnittenen Einheiten wieder hergestellt ist. Dieses Szenario ist für das Baltikum, Skandinavien aber auch für die Südostflanke der NATO denkbar.
Neue Special-Forces-Gliederung
Während in Afghanistan und im Irak sogenannte wild zusammengewürfelte Combined Joint Special Operations Task Forces in unterschiedlicher Zusammensetzung, Stärke und mit unterschiedlichen Aufgaben im Einsatz waren, wird im neuen NATO-Zeitalter eine gewisse Vereinheitlichung vorangetrieben. Heute werden die NATO-Länder dazu gezwungen, einheitliche Special Operations Task Groups (SOTG) für Landeinsätze und maritime Einsätze aufzustellen, auszubilden und in genau vorgegeben Strukturen für die NATO bereitzustellen. Darin sind die Personalstärke, die Funktion und die Fähigkeiten genau festgeschrieben. Daraus resultieren spezielle Special Operations Task Groups (Land) und Maritime Special Operations Task Groups sowie auch Special Operations Rotary / Fixed Wings.
Diese sind bei Unterstellung für die NATO für fast alle Nationen identisch und garantieren einheitliche Standards über einen langen Zeitraum. Einsatzzonen sind dabei die Ostsee und das Schwarze Meer, Skandinavien, das Baltikum und die Südostflanke der NATO mit den Mittelmeer-Klimazonen. Eine Herausforderung wird jedoch in den nasskalten und schneereichen nördlichen Klimazonen bestehen.
NATO-Spezialeinsatzkräfte arbeiten in einigen der anspruchsvollsten Umgebungen und bei den anspruchsvollsten Missionen - lesen Sie in diesem ausführlichen Blogpost, was diese Spezialeinsatzkräfte so besonders macht.
Fazit
Improvisierte und landesspezifische Lösungen für Special Forces werden schon bald der Vergangenheit angehören. Stattdessen wird zukünftig der größtmögliche einheitliche Standard im NATO-Kontext für Ausbildung, Ausrüstung und Einsätze angestrebt, um auf die veränderte Sicherheitslage zu reagieren. Diese neue Entwicklung betrifft Special Forces sowie auch konventionelle Truppenteile. Spezialeinsätze in Wüste, Hochgebirge und Dschungel werden nur noch eine temporäre Ausnahme sein, der Kampf gegen Aufständische sowie Terroristen nur noch eine Teilaufgabe.